
Der STEP 1994: Geopolitische Herausforderungen und das neue Europa
Mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ ändern sich Wiens geopolitische Lage und Rolle innerhalb Europas massiv. Gleiches gilt für die Attraktivität und Internationalität der österreichischen Bundeshauptstadt ab 1990. Der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am 1. Jänner 1995 markiert einen weiteren wichtigen Meilenstein in diesem Jahrzehnt und unterstreicht das österreichische Bekenntnis als internationaler Player. Mit Beginn des Jugoslawienkriegs 1991 suchen viele Bewohner*innen der Kriegsgebiete – die als ehemalige k-und-k-Staaten eine gemeinsame Geschichte mit Österreich teilen – auch in Wien Sicherheit.
Während in den 1980-er Jahren noch von einer Bevölkerungsstagnation die Rede ist, bedeuten diese Ereignisse für Wien vor allem eines: Die Stadt wächst wieder. Der Bevölkerungszuwachs stellt insbesondere Anforderungen an die Wiener Wohnpolitik und an den Arbeitsmarkt bzw. die Wirtschaft – beides Themen, die Raum benötigen und eine räumliche Ordnung von Seiten der Stadt verlangen. So kündigt die Politik bereits 1991 die Sicherstellung von 6.000 geförderten Wohnungen pro Jahr an, innerhalb von fünf Jahren soll Platz für 17.500 Arbeitsplätze geschaffen werden. Schon damals wird die Verwendung ungenutzter Flächen im Wiener Stadtgebiet thematisiert, so stehen unter anderem das Gebiet des Nordbahnhofs und seine zukünftige Nutzung zur Diskussion.

Mit Grünraum soll hingegen schonend und nachhaltig umgegangen werden, so lautet einer der zehn Grundsätze der zukünftigen Stadtplanung: „Ziel wäre es, daß Wien 100 Jahre nach der Sicherung des Wienerwaldes, also 2005, große zusammenhängende Grünflächen im Süden, Osten und Norden der Stadt als ebenso unantastbares wertvolles Grünland besitzt.“ Die Möglichkeit internationaler Vernetzungen in Richtung Budapest und Bratislava bedeutet auch einen möglichen Verkehrsanstieg und dementsprechend einen steigenden Bedarf an Verkehrsflächen; mit Hilfe einer vorausschauenden Planung soll auch dieser Bedarf gesteuert werden. Vor allem der öffentliche Verkehr soll „drastisch ausgebaut werden“. Die sanfte Stadterneuerung, die bereits im STEP 1984 Thema war und das historische bauliche Erbe Wiens meint, wird auch im STEP 1994 weiterverfolgt.

Allgemein kennzeichnen den STEP 1994 die Frage einer Neuorientierung innerhalb Europas sowie die Vorsorge für eine wachsende Stadt. Außerdem enthält er ein klares Bekenntnis zum sozialen Wohnbau sowie zum sozialen Ausgleich. Letzteres meint auch den Ausbau von Infrastruktur der sogenannten Daseinsvorsorge – also etwa ein wachsendes Öffi-Netz, ein Wien-weites Angebot an Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen, Schwimmbädern und Ärzt*innen. Aber auch eine funktionierende Wasserversorgung und Müllentsorgung sind Teil dieser Aufgabe. All diese Dinge brauchen Raum – größtenteils ober-, aber auch unterirdisch. Mit dem STEP 1994 versucht Wien, diesem Bedarf nachzukommen und gleichzeitig Flächen für die weitere Entwicklung der Stadt zu sichern. Denn ein Hauptmerkmal städtischen Lebens ist der Wandel.
Der zweite Stadtentwicklungsplan in der Geschichte Wiens ist daher geprägt von einer geradezu elektrisierenden Erwartungshaltung gegenüber einer vielversprechenden Zukunft voller Chancen.

Meilensteine der Stadtentwicklunge 1994 – 2005
-Eröffnung und Inbetriebnahme des AKH – Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien (1994)
-Gemeinderatsbeschluss „Leitbild Nordbahnhof“ (1994)
-U3-Verlängerung Westbahnhof (1994)
-U6-Verlängerung Siebenhirten (1995)
-Bau des Andromeda-Turms in der Donau-City (1995)
-Aufnahme von Schloss Schönbrunn in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes (1996)
-U6-Verlängerung Floridsdorf (1996)
-U3-Verlängerung Ottakring (1998)
-Fertigstellung der letzten U3-Teilstrecke (2000)
-Aufnahme des Historischen Zentrums von Wien in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes (2001)
-Eröffnung des Museumsquartiers (2001)
-Gemeinderatsbeschluss zum Bau des Sonnwendviertels (2004)