Umbau bzw. Bau der U6 Bereich Gumpendorf, Linke Wienzeile, Otto-Wagner-Brücke, Oktober 1987, © Wiener Linien
Umbau bzw. Bau der U6 Bereich Gumpendorf, Linke Wienzeile, Otto-Wagner-Brücke, Oktober 1987, © Wiener Linien

Der STEP 1984:
Verteilungsgerechtigkeit, sozialer Ausgleich und Umweltschutz

Anfang der 1980-er Jahre leben ca. 1,5 Millionen Menschen in Wien. Die Stadt ist geprägt von ihrer geopolitischen Randlage am sogenannten „Eisernen Vorhang“. Zu dieser Zeit ist Wien weder eine pulsierende Stadt im Herzen Europas noch ein attraktiver Wirtschaftsstandort. Im Gegenteil: Die Geburten sind rückläufig – tatsächlich leben zu dieser Zeit etwa ähnlich viele Menschen in Wien wie im Jahr 1890 –, zugleich verlassen immer mehr Bewohner*innen die innerstädtischen Bezirke und ziehen in die umliegenden Gemeinden oder in den Speckgürtel. Auch die Wirtschaft schrumpft: Von 1976 bis 1989 verliert Wien in Industrie und Gewerbe sowie den produktionsbezogenen Dienstleistungen 45.000 Arbeitsplätze.

Einen Stadtentwicklungsplan für Wien gibt es zu dieser Zeit noch nicht, doch die Politik erkennt, dass es ein räumliches Leitbild braucht, eine Vision, mit deren Hilfe es der Stadtverwaltung gelingt, ein weiteres Schrumpfen Wiens oder ein Abwandern der Bevölkerung zu verhindern. Schon 1977 beauftragt der damalige Bürgermeister Leopold Gratz die Geschäftsgruppe Stadtplanung im Magistrat der Stadt Wien mit der Ausarbeitung eines Stadtentwicklungsplans: Der STEP 1984 wird wenige Jahre später fertig gestellt und markiert den Beginn einer neuen Ära der Stadtplanung. Er konzentriert sich auf genaue jene Themen, die die Wiener Stadtverwaltung zu dieser Zeit am meisten beschäftigen:

-Lage Wiens am „Eisernen Vorhang“
-Wirtschaftliche Binnenorientierung
-Bevölkerungsrückgang bzw. -stagnation
-Beginnende umfassende Stadterneuerung

Bau der U6 Bereich Philadelphiabrücke, August 1986, © Wiener Linien
Bau der U6 Bereich Philadelphiabrücke, August 1986, © Wiener Linien

Die „beginnende umfassende Stadterneuerung“ meint vor allem den Umgang mit dem großen Bestand an gründerzeitlichen Bauten. Dieses historische Erbe, das so charakteristisch für Wien ist, befindet sich in den 1980-er Jahren in den seltensten Fällen in gutem Zustand. Der STEP 1984 unterstreicht den Erhalt gründerzeitlicher Bauten und des sogenannten „historisch gewachsenen Stadtkörpers“. Dass eine Vielzahl des historischen Baubestands noch heute erhalten ist – und nicht wie in anderen europäischen Ländern einer Welle von Abrissen und Neubauten weichen musste – ist auch dem STEP zu verdanken. Auch die Aufnahme des Historischen Zentrums von Wien in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes im Jahr 2001 ist darauf zurückzuführen. Diese Auszeichnung konnte man zu diesem Zeitpunkt nicht vorausahnen. Dennoch ist den Planer*innen und der Stadtverwaltung bereits in den 1980-er Jahren klar, dass die Attraktivität der damals schlafenden bzw. schrumpfenden Innenstadtbezirke mit einer Aufwertung der umliegenden baulichen Umwelt zusammenhängt.

Zug der Linie 46, Thaliastraße Fahrtrichtung Bellaria, Ring, 1987, © Wiener Linien
Zug der Linie 46 mit der Type C1-c in der Thaliastraße Fahrtrichtung Bellaria, Ring, 1987 © Wiener Linien

Trotz Abwanderung und Bevölkerungsrückgang spielt auch die Stadterweiterung  im STEP 1984 eine Rolle. Stadtrandbezirke werden durch Grünräume ergänzt, gleichzeitig soll eine Zersiedelung an den Rändern verhindert werden. Sogenannte „Siedlungsachsen“ werden identifiziert, entlang derer weitere Entwicklungen stattfinden und sich Zentren herausbilden bzw. weiter ausgebaut werden. Großflächige Betriebe sollen in Betriebsgebieten nahe von Siedlungsachsen angesiedelt werden.

U1 Praterstern vor der Eröffnung 7. Juli 1980, © M. Helmer
U1-Station Praterstern, Ausgang Lassallestraße, vor der Eröffnung, 7. Juli 1980, © M. Helmer

Meilensteine der Stadtentwicklung 1980 – 1994

-Inbetriebnahme der U4 zwischen Karlsplatz und Meidling Hauptstraße (1980)

-Bau der Abfallbehandlungsanlage Rinterzelt (1980-1990)

-Spatenstich zum Bau der U3 (1981)

-Donauinsel: Fertigstellung der ersten Baustufe (1981)

-Inbetriebnahme der U4 zwischen Meidling Hauptstraße und Hietzing (1981)

-Fertigstellung der Brigittenauer Brücke (1982)

-Die Donauinsel wird vom Gemeinderat als „Erholungsgebiet“ freigegeben. (1983)

-Bau des Austria Center Vienna (1983-1987)

-Schaffung des Erholungsgebiets Wienerberg (1983-1990)

-Besiedlung des letzten Wohnblocks Alt-Erlaa (1985)

-Inbetriebnahme der U6 (1989)

Was niemand wissen konnte: Bereits wenige Jahre später werden sich wichtige Rahmenbedingungen geändert haben: Denn mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ liegt Wien Anfang der 1990er Jahre mit einem Male im Herzen Europas.

 

Weiterführende Links: 

-Die Details des STEP 1984

-Interview mit Hannes Swoboda, Stadtrat für Stadtentwicklung, Stadtplanung und Verkehr 1988 bis 1996